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Barrierefreie digitale Erlebnisse schaffen: Was schon erreicht wurde und was noch zu tun bleibt

von Erica Gunn  |  25. Oktober 2022

Lesezeit 5 Min.
Mitarbeiter tauschen online Daten und Informationen aus, um barrierefreie digitale Erlebnisse zu schaffen.

Angenommen, Sie müssten ein Unternehmen nennen, das mehr als jedes andere unsere Online-Erlebnisse prägt – also das beeinflusst, in welcher Art und Weise wir digitale Inhalte konsumieren – für welches würden Sie sich entscheiden? Vermutlich werden Sie Apple, Amazon, Facebook oder Google sagen.

Wie sieht es mit W3C aus? “Wen?” höre ich Sie fragen.

Meines Erachtens ist das W3C eine der bedeutendsten, aber am wenigsten bekannten Organisationen, die unser digitales Leben beeinflussen. Und sie ist auch die Antwort auf die Frage: Was machte eigentlich Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, danach? 1994 gründete er W3C am Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit der Absicht, “Protokolle und Richtlinien zu entwickeln, die ein langfristiges Wachstum des Webs gewährleisten”. Die Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, dafür zu sorgen, dass die Vorteile des Internetzugangs “sämtlichen Menschen zur Verfügung stehen, unabhängig von ihrer Hardware, Software, Netzwerkinfrastruktur, Muttersprache, Kultur, geografischen Lage oder ihren körperlichen oder geistigen Fähigkeiten”.

Heute gehören 464 Organisationen dem World Wide Web Council (W3C) an, angefangen bei Apple, Amazon, Meta (vormals Facebook) und Google bis hin zu Sony, Huawei, der BBC und Automobilherstellern wie Volkswagen. Diese Konzerne nehmen heute regelmäßig vergleichbare Veränderungen an ihrer Benutzeroberfläche (UI) sowie dem allgemeinen Benutzererlebnis (UX) von Markeninhalten vor. So führt beispielsweise TikTok automatische Untertitel in englischer Sprache ein. In einer anderen Sparte der Barrierefreiheit ist Twitter im April dieses Jahres dazu übergegangen, die Bildbeschreibungen mit Alt-Text zu verbessern. Zahlreiche Unternehmen beteiligen sich an der Vision eines Internets, in dem alle Menschen das Web barrierefrei erleben, genießen und Transaktionen durchführen können.

Mitarbeiter kombinieren verschiedene Daten und Elemente, um ein nahtloses Erlebnis und barrierefreie digitale Erlebnisse mit besserer Zugänglichkeit zu ermöglichen.

Was gilt es zu verbessern?

Für uns alle gibt es aber eine ganz simple Botschaft. Wir haben noch viel zu tun.

Bei einer Überprüfung der Homepages der weltweit wichtigsten 1 Million Webseiten im Jahr 2022 durch die Schulungs- und Beratungsorganisation WebAIM wurden gemäß den Richtlinien für die Zugänglichkeit von Webinhalten (Web Content Accessibility Guidelines) 50.829.406 unterschiedliche Fehler festgestellt. Das sind durchschnittlich fast 51 Mängel bei der Barrierefreiheit je Homepage.

Ich bin der Ansicht, dass wir einfach noch nicht genug tun, um unsere digitalen Präsenzen für alle zugänglich zu machen. Möchten Sie ein konkretes Gefühl dafür bekommen, was schief läuft? Dann nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit und lassen Sie sich von einer Bildschirmlesesoftware die Homepage Ihres Unternehmens vorlesen. Kann der Screen-Reader sämtliche Inhalte lesen, oder überspringt er bestimmte Stellen? Trifft er auf einen internen Link in der Mitte der Seite und springt woanders hin? Werden die Schaltflächen mit Ihren Handlungsaufforderungen übergangen? Und sind die Videos oder Bilder lediglich verstümmelte Dateinamen, die vorgelesen werden?

Das alles ist schon ziemlich frustrierend, oder? Und nun berücksichtigen Sie, dass Sehbehinderungen zu den 10 häufigsten Behinderungen unter Erwachsenen in den Vereinigten Staaten gehören – also geht es hier um Millionen potenzieller Kunden, die sich auf Ihrer Webseite nur mühsam zurechtfinden. Dabei ist die Lösung des Problems vergleichsweise einfach. Ist die Seite richtig aufgebaut – mit Kopfzeile, Formular- und Schaltflächenbeschriftung und ALT-Texten für Bilder und Videos – ist es wahrscheinlicher, dass Bildschirmlesegeräte sie auch richtig lesen können. Außerdem stellt sich die Frage nach dem Design und der Farbgebung … genau, die Fragen, die jeder CMO so sehr liebt. Eine dezente Farbpalette mit wenig Kontrasten kann toll aussehen, z.B. ganz in Blautönen gehalten. Doch ein hoher Farbkontrast zwischen Hintergrund und Schrift kann es für manche Menschen leichter machen, den Inhalt wahrzunehmen. Hier können schon verhältnismäßig einfache Anpassungen einen großen Unterschied machen – und dafür sorgen, dass Barrierefreiheit bei der Entwicklung von Webseiten oder beim Design im Vordergrund steht.

Laut WebAIM ist die Situation von Branche zu Branche unterschiedlich. In drei Kategorien ist die Barrierefreiheit besonders gut:

  1. Recht, Verwaltung und Politik.
  2. Soziale Medien.
  3. Wissenschaft.

Drei Felder, in denen Barrierefreiheit eher unzureichend ist, sind:

  1. Einzelhandel.
  2. Immobilien.
  3. Nachrichten, Wetter und Informationen.

Die vollständige Auflistung nach Branchen, auf der Grundlage der Klassifizierungen des IAB, finden Sie hier.

Mitarbeiter bei der nahtlosen Zusammenarbeit in einem Online-Arbeitsbereich, der Zugänglichkeit für alle beteiligten Parteien bietet.

Warum Barrierefreiheit für alle wichtig ist

Die Vision von Tim Berners-Lee eines World Wide Web, das für alle Menschen zugänglich ist, spricht einen der interessantesten Aspekte unseres digitalen Lebensstils an. Die Hilfsmittel und Technologien, die in den letzten 28 Jahren von den Normen des W3C inspiriert wurden, wurden weit jenseits ihrer ursprünglichen Bestimmung eingesetzt. Nehmen Sie zum Beispiel Netflix. Heather Dowdy, Director of Accessibility bei Netflix, erklärte dieses Jahr, dass “über 40 % unserer Nutzer sich Inhalte mit Untertiteln ansehen – das entspricht mehr als nur unseren Abonnenten mit Behinderungen”. Das spiegelt das Potenzial für den Spracherwerb wider, für Kinder, die beim Fernsehen ihre Lese- und Schreibfähigkeiten entwickeln, sowie letztlich auch Personen, die einfach nur ohne Ton schauen wollen. Auch können Texter eine Screenreader-Software einsetzen, um ihre Texte laut vorzulesen und so auf mögliche Fehler zu überprüfen. Ich bin der Meinung, dass klarere, sauberere, besser lesbare und leichter bedienbare digitale Erlebnisse uns allen zugute kommen.

Doch letztendlich ist die Frage der Barrierefreiheit auch eine Auseinandersetzung mit Ihren Markenwerten, Ihrer Markenreputation sowie Ihrer Geschäftsidee. Sind Sie der Auffassung, dass Ihre Waren und Dienstleistungen einem möglichst großen Markt zugänglich sein sollten? Wenn Sie diese Frage mit einem klaren “Ja” beantworten können – so wie es sein sollte -, dann dürften sich Ihre diesbezüglichen Maßnahmen im digitalen Bereich in Form von mehr Reichweite auszahlen. Indem Sie die Benutzerfreundlichkeit Ihrer Webseite erhöhen und sie zugänglicher machen, erhöht möglicherweise auch Ihre Sichtbarkeit in den Suchergebnissen. Ihre Anstrengungen könnten sich also auch positiv auf die Suchmaschinenoptimierung (SEO) auswirken. Nehmen Kunden außerdem wahr, dass Ihr Unternehmen sich für Barrierefreiheit und mehr Inklusion engagiert, könnte das die Markentreue erhöhen – denn, so besagt eine Studie von Deloitte, “57 % der Verbraucher sind loyaler gegenüber Marken, die sich aktiv der Beseitigung sozialer Ungerechtigkeiten verpflichten“. Die gleiche Studie belegt auch, dass die Entwicklung wichtiger Leistungskennzahlen ein Merkmal besonders wachstumsstarker Marken ist. Das Richtige zu tun, ist also auch wirtschaftlich sinnvoll.

Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Fassung auf Forbes veröffentlicht.