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Die Verlassener-Warenkorb-E-Mail ist eine Kunst: So holen Sie Kunden zurück und schließen den Deal ab

von Kate Lindemann  |  8. Juli 2021

Lesezeit 9 Min.
Eine Frau hält ein Telefon, auf dem eine verlassener-Warenkorb-E-Mail angezeigt wird, die sie zu ihrem Warenkorb im Webshop von Casper zurückführt.

Am vergangenen Wochenende habe ich mich im Internet nach einer Regenjacke umgesehen, weil ich demnächst wandern gehen wollte. Einige Stunden und zahlreiche Bewertungen später hatte ich die perfekte Jacke gefunden und in meinen Einkaufswagen gelegt. Als es aber ans Bezahlen ging, zögerte ich. Möglicherweise gab es ja doch noch eine bessere Alternative?

Ich vertagte die Entscheidung auf einen anderen Tag und machte das Browserfenster zu. Online-Händler sprechen in so einem Fall von einem verlassenen Warenkorb (‘abandoned cart’).

Ob ich diese Jacke noch kaufen werde? Möglicherweise. Aber so wie die Dinge jetzt stehen, war diese spezielle Marke für Outdoor-Kleidung ganz kurz vor einem Verkaufsabschluss, konnte mich aber nicht ganz zum letzten Schritt bewegen.

Screenshot eines blauen Regenmantels in einem Warenkorb eines Onlinehändlers.

Und ich bin nicht die Einzige. Der E-Commerce-Gigant Shopify schätzt, dass 60-80 % der Einkäufe abgebrochen werden. Ja, richtig gelesen: 80 %. Das heißt, die überwiegende Mehrheit aller Kunden, die einen Artikel in den Warenkorb legen, kaufen ihn gar nicht.

Zum Glück können sich Unternehmen einen großen Teil dieses Umsatzes sichern; dazu dient die Verlassener-Warenkorb-E-Mail.

In diesem Beitrag erkläre ich, warum Verlassener-Warenkorb-E-Mails so gut funktionieren und stelle bewährte Methoden vor, damit Sie Ihre eigenen schreiben können – einschließlich toller Beispiele von Marken, die es schon richtig angehen.

Was ist eine Verlassener-Warenkorb-E-Mail?

Eine Verlassener-Warenkorb-E-Mail (‘abandoned cart email’) ist eine automatisierte Marketing-E-Mail. Diese individuellen E-Mails werden ausgesendet, wenn Kunden Artikel in ihren Warenkorb legen, aber den Bezahlvorgang nicht abschließen. E-Mails für verlassene Warenkörbe haben hohe Konversionsraten, wodurch sie zu den Marketing-E-Mails mit dem höchsten ROI gehören.

Weshalb Sie Verlassener-Warenkorb-E-Mails versenden sollten

Verlassener-Warenkorb-E-Mails zählen zu den effektivsten Arten des E-Mail-Marketings. Der Grund ist einfach zu verstehen. Kunden, die ihre Warenkörbe aufgeben, haben bereits mehrere Dinge getan – sie haben:

  • Ihre Marke wahrgenommen
  • Interesse an Ihren Produkten entwickelt
  • Ihre Webseite besucht
  • Zeit auf der Webseite verbracht
  • mindestens ein Produkt ausgewählt
  • den ersten Schritt zum Kauf vollzogen

Das sind schon eine Menge überwundener Hürden. Die Kunden kennen Ihre Marke. Sie sind an Ihren Produkten interessiert. Sie denken zumindest über einen Kauf nach. Bessere Voraussetzungen für Interessenten gibt es nicht!

Personen, die ihren Warenkorb aufgegeben haben, brauchen nur noch einen finalen Impuls. Sie haben Ihnen sogar ganz genau mitgeteilt, welche Produkte sie beinahe gekauft hätten! Mit diesen Informationen können Sie ganz unkompliziert individuelle, automatisierte E-Mails erstellen, in denen exakt die Produkte hervorgehoben werden, die die Kunden am attraktivsten finden.

Screenshot einer verlassenen-Warenkorb-E-Mail von einem Haushaltswarengeschäft, die ein Satz Trinkgläser zeigt.

Angesichts all dieser Faktoren überrascht es kaum, dass automatisierte E-Mails eine hohe Konvertierungsrate aufweisen.

Eine E-Mail-Marketing-Plattform berichtet, dass Verlassener-Warenkorb-E-Mails in der Regel eine Click-Through-Rate von etwa 21 % haben. Das ist fast das 10-fache der durchschnittlichen E-Mail Click-Through-Rate von 2,6 %. Und es kommt noch besser: Sagenhafte 50 % dieser Klicks führen zu einem Verkaufsabschluss.

Beispiele und Tipps – Was macht eine gute Verlassener-Warenkorb-E-Mail aus?

Nur weil Menschen mit einem verlassenen Warenkorb kurz vor einem Kauf standen, heißt das noch lange nicht, dass jede beliebige E-Mail sie überzeugen kann. Immerhin befindet sich so eine Person noch in der Entscheidungsphase. Dieser entscheidende Augenblick verlangt nach Ihren bestmöglichen Botschaften und erstklassigen Texten.

Was müssen Sie also beachten? Hier sind einige Tipps und Tricks, mit denen Sie sicherstellen können, dass Ihre E-Mails an Kunden mit verlassenen Warenkörben auf der Höhe der Zeit sind.

Sie müssen verstehen, wieso Kunde den Einkauf abgebrochen hat

Der erste Schritt beim Verfassen einer überzeugenden E-Mail für abgebrochene Käufe besteht darin, dass Sie die Gründe nachvollziehen können, weshalb Kunden überhaupt den Bestellvorgang abbrechen.

Die häufigsten Gründe sind:

Preisschock – Einer Studie von Shopify zufolge ist der häufigste Grund für einen Kaufabbruch der Preisschock beim Bezahlen. Das liegt häufig daran, dass den Leuten erst dann die Mehrwertsteuern, Versandkosten oder mögliche extra Bearbeitungsgebühren auffallen. Oder aber die Käufer haben sich mehrere Artikel in den Warenkorb gelegt und nicht bemerkt, wie viel diese insgesamt kosten – bis sie an der Kasse standen.

Screenshot einer Versandkostenrechnung von $35,98.

Sie haben es sich anders überlegt – Auch wenn die Gesamtsumme keine Überraschung war, kann sie den Käufer trotzdem zum Nachdenken veranlassen. Möglicherweise denken sie beim Bezahlvorgang an den bevorstehenden Urlaub und entscheiden, dass sie lieber doch sparen, anstatt sich das neue Paar Schuhe oder eine weitere Zimmerpflanze anzuschaffen.

Sie überlegen noch – Die Kunden ziehen einen Kauf in Erwägung, sind aber noch unentschlossen. Solche Käufer stecken wahrscheinlich noch in der Recherchephase. Oder aber sie hüten sich vor Spontankäufen und wollen erst einmal drüber schlafen, um zu sehen, ob sie den Artikel in ein paar Tagen immer noch haben wollen.

Der Wunschzettel-Effekt – So wie Leute auf der Straße einen ‘Schaufensterbummel’ machen, stöbern sie manchmal auch in Online-Shops, ohne eine konkrete Kaufabsicht zu hegen. Möglicherweise träumen sie von einem zukünftigen Kauf, für den sie noch sparen, oder sie legen eine Liste von Artikeln an, die sie sich gerne kaufen würden, wenn das Geld keine Rolle spielen würde. Viele Online-Shops bieten zwar für solche Käufer eine Wunschzettel-Funktion an, doch viele verwenden stattdessen trotzdem den Warenkorb.

Screenshot des Inhalts eines Warenkorbs im Stil einer Wunschliste, darauf stehen Wanderstöcke, eine Daunenjacke und ein Campingkocher.

Vielleicht haben Sie es selbst schon bemerkt, aber ein Grund fehlt in dieser Liste: Vergesslichkeit. Normalerweise brechen Menschen ihre Einkäufe nicht aus Versehen ab. Insofern empfinde ich die Formulierung in den Kauferinnerungs-E-Mails mancher Marken irritierend, wenn diese schreiben: ‘Sie haben da etwas vergessen’.

Beim Verfassen Ihrer E-Mail sollten Sie dieses Klischee unbedingt vermeiden und stattdessen lieber auf die tatsächlichen Gründe eingehen, weshalb die Leute ihre Bestellvorgänge abbrechen.

Rücken Sie das Produkt in den Vordergrund

Was das E-Mail-Marketing unter anderem so toll macht, ist die Tatsache, dass sich E-Mails unglaublich einfach anpassen lassen. Die verlassenen-Warenkorb-E-Mails eignen sich perfekt dafür.

Wenn ein Kunde einen Artikel in seinen Warenkorb legt, gibt er Ihnen wertvolle Informationen darüber, welches Produkt er am interessantesten findet. Weisen Sie Kunden also nicht einfach nur darauf hin, dass da noch etwas in ihrem Warenkorb liegt. Veranschaulichen Sie ihnen genau, was dort auf sie wartet – je eindrucksvoller die Bilder, desto besser.

Screenshot einer verlassenen-Warenkorb-E-Mail von Perigold mit einem Küchenbehälter in blauer Marmoroptik.

Bleiben Sie positiv

Verlassener-Warenkorb-E-Mails können sehr schnell einen negativen Unterton bekommen. ‘Hoppla, Sie haben da was vergessen’ ist dabei noch nicht einmal das schlimmste Beispiel. Mir sind schon E-Mails untergekommen, die den Kunden eine gekränkte Haltung vorgaukeln wollten oder in denen behauptet wurde, dass wohl das WLAN abgestürzt sei (denn warum sollten Sie sonst Ihren Einkauf so plötzlich abbrechen?!).

Ob es nun witzig sein sollte oder man tatsächlich Kunden über ihr schlechtes Gewissen zum Kaufabschluss bewegen wollte – negative Texte trüben die Stimmung und vergraulen die Kunden. Bleiben Sie stattdessen positiv und locker. Mit Enthusiasmus für Ihre Marke und Begeisterung für Ihre Produkte können Sie Kunden am effektivsten zurückholen.

Diese E-Mail von Everlane ist das perfekte Beispiel.

Verlassener-Warenkorb-E-Mail von Everlane mit dem Text 'Sie haben einen guten Geschmack'.

Die Zeile ‘Sie haben einen guten Geschmack’ bringt es einfach und genial auf den Punkt. Einerseits gibt er dem Kunden ein gutes Gefühl, andererseits wird das Produkt dadurch positiv in Szene gesetzt. Das Wichtigste aber ist, dass dieser Text den Kunden zurück zum Warenkorb holt, ohne dass die Marke weinerlich oder verzweifelt wirkt.

Zeichnen Sie ein anschauliches Bild

Die Begeisterung der Kunden für die im Warenkorb zurückgelassenen Artikel lässt sich neu entfachen, wenn Sie ihnen eine lebhafte Vorstellung davon vermitteln, wie es wohl wäre, wenn sie diese Produkte bereits besitzen würden.

Diesem Ansatz folgt auch das Beispiel von J. Crew, das die Kunden einlädt, sich vorzustellen, wie die begehrten Teile in ihrem Kleiderschrank aussehen würden.

Screenshot einer E-Mail von J. Crew mit einem grauen Pullover und dem Versprechen, dass er bereits morgen in Ihrem Kleiderschrank hängen könnte.

Bei Lego sieht es ganz ähnlich aus: ‘Mit einem Klick gehört es dir’. Durch geschickte Wortwahl spricht Lego die emotionale Bindung der Kunden an das Produkt an. Der Satz ruft taktile Erinnerungen ans Spielen mit den Legosteinen hervor, wodurch die Kunden sich besser vorstellen können, wie sie das gewünschte Set zusammenbauen und die Steine ineinander klickend zusammensetzen.

Screenshot einer Verlassener-Warenkorb-E-Mail von Lego, in der ein Lego-Männchen durch ein Fernglas schaut.

Heben Sie die wichtigsten Verkaufsargumente hervor

Stehen Kunden kurz vor dem Kaufentschluss, kann eine Verlassener-Warenkorb-E-Mail den richtigen Zeitpunkt optimal nutzen, um die überzeugendsten Vorteile Ihrer Produkte zu betonen. Entweder führen Sie diese selbst auf, oder Sie setzen auf soziale Bestätigung in Form von Kundenstimmen und externen Bewertungen.

Genau das tut der Matratzenhersteller Casper in seinen Verlassener-Warenkorb-E-Mails.

Screenshot einer überschwänglichen Kundenbewertung aus einer Verlassener-Warenkorb-E-Mail von Casper.

Dieser Beispieltext stammt übrigens aus meinem persönlichen Favoriten unter den verlassenen-Warenkorb-E-Mails. Ich finde ihn noch aus einem ganz anderen Grund toll: Die Überschrift der E-Mail lautet ‘Komm wieder ins Bett’. Wenn das mal keine brillante Wortwahl für ein Matratzengeschäft ist!

Eine Verlassener-Warenkorb-E-Mail von Casper mit einem Kissen und der Überschrift 'Komm wieder ins Bett'.

Machen Sie das Angebot attraktiver

Wenn Sie besonders überzeugend sein möchten, sollten Sie in Ihrer Verlassener-Warenkorb-E-Mail einen kleinen zusätzlichen Anreiz bieten. Kostenloser Versand oder ein Rabattcode könnten genau das richtige Mittel sein, um den Kunden, die ihre Bestellungen aus Preisgründen abgebrochen haben, zu überzeugen, es sich noch einmal anders zu überlegen.

Eine Variante dieser Idee ist eine Verlassener-Warenkorb-E-Mail, die nicht ausgelöst wird, wenn der Käufer den Bestellvorgang abbricht, sondern wenn die gewählten Artikel im Warenkorb im Sonderangebot sind.

Eine Verlassener-Warenkorb-E-Mail von Columbia, die eine Preissenkung vermeldet.

Erzeugen Sie ein Gefühl der Dringlichkeit (oder Sicherheit)

Eine gängige Taktik bei Verlassener-Warenkorb-E-Mails ist es, ein Gefühl der Dringlichkeit zu erzeugen. Sieht es so aus, als ob der gewünschte Artikel bald vergriffen ist, motiviert das den Kunden zum sofortigen Handeln. Dies wurzelt in der grundlegenden psychologischen Denkweise. Nicht nur gibt es einen logistischen Zeitdruck, sondern scheinen rare Artikel naturgemäß auch wertvoller zu sein.

Die folgende E-Mail aus dem Google Store zeigt, wie diese Strategie funktioniert.

Screenshot einer E-Mail vom Google Store, die darauf hinweist, dass Google WiFi-Geräte 'beinahe komplett vergriffen' sind.

Allerdings ist der Dringlichkeitsansatz nicht überall anwendbar. Andere Marken verfolgen eine genau gegenteilige Strategie, bei der sie den Kunden informieren, dass die Artikel im Warenkorb für sie reserviert werden. Das befördert ein Gefühl des vorzeitigen Besitzes hinsichtlich des zurückgelassenen Produkts und erweckt gleichzeitig den Eindruck eines zuvorkommenden Kundenservices.

Beachten Sie dazu dieses Beispiel.

Eine Verlassener-Warenkorb-E-Mail mit einem Kleiderständer, die verspricht, dass der Artikel für den Kunden zurückgelegt wurde.

Und welche Variante ist die richtige für Sie? Ganz einfach: welche auch immer zutrifft. Wird der Artikel möglicherweise wirklich bald vergriffen sein, informieren Sie Ihre Kunden rechtzeitig, damit sie ihn sich noch sichern können. Andernfalls lassen Sie Ihre Kunden einfach wissen, dass der coole Garderobenständer noch auf sie warten wird, wenn sie zum Kauf bereit sind.

Machen Sie Ihre Verlassener-Warenkorb-E-Mails zum Aushängeschild Ihrer Marke

Die klassische Verlassener-Warenkorb-E-Mail eignet sich hervorragend als Marketing-E-Mail, wird aber viel zu selten genutzt. Nicht nur ist die Konversionsrate bei solchen E-Mails ein Wahnsinn, sie profitieren außerdem von einigen der größten Vorteile im E-Mail-Marketing, wie z. B. der Individualisierung und präzisem Timing.

Das sorgt für ein positives, personalisiertes Erlebnis, von dem Sie doppelt profitieren: unmittelbar durch einen Verkauf und langfristig durch die Kundentreue, die durch eine stärkere Bindung an Ihre Marke entsteht.

Verlassener-Warenkorb-E-Mails mögen auf den ersten Blick kompliziert wirken, da sie weiterentwickelte Funktionen wie E-Mail-Automatisierung und benutzerdefinierte Inhaltsfelder nutzen. Doch ist es sehr wahrscheinlich, dass die bereits von Ihnen verwendeten E-Mail-Anbieter und E-Commerce-Anwendungen über entsprechende Funktionen verfügen, wodurch die Konfiguration solcher E-Mails erleichtert wird. Und bei zweistelligen Konversionsraten ist es den Aufwand allemal wert.

Nehmen Sie also die obigen Beispiele als Inspiration, lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf und entwerfen Sie selbst ein paar Verlassener-Warenkorb-E-Mails, die Ihre Kunden umwerfen werden.